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Land investiert deutlich mehr Mittel in Präventionsprojekte gegen Radikalisierung

Frau Paul steht vor einer blauen Pressewand. Sie schaut in die Kamera mit einem leichten Lächeln. Der Oberkörper ist nur angeschnitten.

Land investiert deutlich mehr Mittel in Präventionsprojekte gegen Radikalisierung

Nach dem Terroranschlag von Solingen hat die Landesregierung betont, dass es sich um eine Zäsur handelt. Mit dem Maßnahmenpaket zur Sicherheit, Migration und Prävention haben wir deutlich gemacht, dass dies für uns keine leere Phrase war. Wer sich der Radikalisierung ernsthaft und ganzheitlich widmet, weiß, dass die Instrumente der Sicherheitsbehörden unverzichtbar und integraler Bestandteil unseres Sicherheitsversprechen sind. Unser Ziel muss sein, dass sich Menschen gar nicht erst radikalisieren. Hierfür ist Prävention der Schlüssel. Daher haben wir im Rahmen des Maßnahmenpakets/des Nachtragshaushalts (vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments) zahlreiche Projekte neu aufgelegt oder verlängert, mit denen wir Radikalisierung entgegentreten. Allein hierfür planen wir mit 18 Millionen Euro zusätzlichen Mitteln pro Jahr.

Radikalisierungsprävention 

Für viele Geflüchtete ist der Aufenthalt im Landesaufnahmesystem der erste Schritt für ein Leben in Nordrhein-Westfalen – unabhängig davon, ob sie dauerhaft hierbleiben oder das Land wieder verlassen werden. Entsprechend gibt es bereits in den Landeseinrichtungen, aber auch außerhalb der Landeseinrichtungen Maßnahmen zur Radikalisierungsprävention. 

 

Angebote zur Sozialen Beratung für Geflüchtete (+ 6 Mio €) 

Durch die Stärkung der Sozialen Beratung von Geflüchteten unterstützen wir die frühzeitig Erkennung und Begegnung von Radikalisierungstendenzen. Ziel ist, im Kontakt vor Ort frühzeitig Verdachtsfälle zu erkennen und qualifiziert zu verweisen. Ein wichtiger Präventionsbaustein ist es daher, den direkten und frühzeitig Kontakt mit Geflüchteten zu stärken. Dies kann durch eine Stärkung der neu geplanten Sozialberatungsstellen, in denen die bisherigen Psychosozialen Erstberatungsstellen künftig integriert sind, erreicht werden. Sie dienen Geflüchteten als Anlaufstelle, niedrigschwellige Erstunterstützung und Verweisberatung. 

 

Diese 6 Mio. Euro werden wie folgt aufgeteilt: 

  • 4 Mio. Euro werden für die Aufstockung der Förderung von Psychosozialen Zentren (von 58,75 auf 77 VZÄ) sowie die Aufstockung von Sozialberatungsstellen (von 112,5 auf 143 Stellen) verwendet werden. Die Förderung der zusätzlichen Stellen wird an die Voraussetzung geknüpft, dass auch Angebote für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gemacht werden und das Ziel der Radikalisierungsprävention in den Blick genommen wird. 
  • 1 Mio. Euro wird für Sonderprojekte zur Radikalisierungsprävention außerhalb der Richtlinie zur Verfügung gestellt werden. 
  • 930.000 Euro werden für die Weiterförderung der Asylverfahrensberatung für unbegleitete minderjährige Geflüchtete aufgewendet. 
  • Aus dem verbleibenden 70.000 Euro sowie aus Restmitteln des bisherigen Haushaltsansatzes, die zu erwarten sind, weil nicht mit einer 100%-Ausschöpfung aller VZÄ zu rechnen ist, soll das „Netzwerk Soziale Beratung“ im Jahr 2025 mit 150.000 Euro weiter als Sonderprojekt außerhalb der Richtlinien gefördert werden. Das Netzwerk soziale Beratung besteht aus Vertreter:innen der Spitzenverbände Diakonie, Caritas, AWO, Parität, DKV sowie der Flüchtlingsräte. Das Netzwerk ist insbesondere in der derzeitigen Umbruchphase eine dringend benötigte Kommunikationsstruktur, die den Dialog zur weitverzweigten Trägerlandschaft ermöglicht

 

Gewaltschutzkoordination (+1,2 Mio €) 

Frühzeitiges Erkennen von Radikalisierungstendenzen ist elementarer Bestandteil einer funktionierenden Präventionsstrategie. Dies frühzeitig zu erkennen, kann jedoch herausfordernd sein, weshalb wir in jeder Geflüchteteneinrichtung eine Ansprechperson für auffällige Tendenzen einsetzen. Diese werden künftig Teil der Ausschreibung für Betreuungsdienstleistende sein. Sie fungieren dabei nach innen als geschulte Kontaktperson für Mitarbeitende und Bewohnerinnen und Bewohner, wenn es Hinweise auf Radikalisierung gibt. Nach außen sind sie die Netzwerkpersonen für Beratungsstellen sowie zu Sicherheitsbehörden. Durch Präsenz in der Einrichtung und als Ansprechperson für die Bewohnerschaft können frühzeitig Auffälligkeiten hinsichtlich möglicher Radikalisierungstendenzen entdeckt und begegnet werden. Dafür stellen wir weitere 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Schulungs- und Sensibilisierungskonzepte für alle Beschäftigten in den Einrichtungen (+ 1 Mio €)

 

Grenzgänger (+0,2 Mio €) 

Mit 200.000 Euro ist eine Ausweitung der Förderung des Radikalisierungsprojektes „Grenzgänger: Aufwind im Bereich Flucht“ des IFAK e.V vorgesehen. Mit der Förderung weiterer VZÄ beim Projektträger IFAK oder ggf. weiterer Träger kann das Angebot quantitativ gesteigert und der Bedarf besser gedeckt werden. Das Projekt Grenzgänger wird 2024 durch das Land mit 172.500 Euro aus den Mitteln für Gewaltschutz gefördert.

 

Weitere Radikalisierungsprävention außerhalb der Einrichtungen

Außerhalb der Landeseinrichtungen stärken wir die Radikalisierungsprävention weiter. Denn Radikalisierung droht sich überall dort auszubreiten, wo (junge) Menschen Erfahrungen machen mit Diskriminierung, Marginalisierung, sozialer Ungerechtigkeit, Perspektivlosigkeit oder dem Gefühl, nicht zur Gesellschaft dazu zu gehören. Genau hier setzen wir mit verschiedenen Präventionsangeboten frühzeitig an:

 

Peer to Peer Beratung (+0,8 Mio €) 

In einer mehrwöchigen Trainer-Ausbildung werden junge Menschen unter Begleitung älterer Mentorinnen und Mentoren dazu befähigt, selbstständig und im Peer-to-Peer-Ansatz Workshops an Schulen, Jugendeinrichtungen oder ihren Vereinen anzubieten, präventiv im Kontext Sozialer Arbeit und im schulischen Umfeld gegen extremistische Ideologien entgegenzutreten, Demokratieverständnis zu stärken, zu beraten und zu begleiten.

 

Muslim aktiv und weltoffen (+0,2 Mio €) 

Daneben ist ein Projekt mit einem zielgruppenorientierten Aufklärungs- und Bildungsangebot für muslimisch geprägte Menschen im digitalen Raum geplant. Diese Plattform soll „Muslim aktiv und weltoffen“ genannt werden und ein progressives und modernes Angebot im digitalen Raum i. S. v. identitätsstiftenden Gegennarrativen und Aufklärungsarbeit zum Thema Islam darstellen.

 

Ehrenamtliches Engagement/ Väterarbeit (+4,34 Mio €) 

Weiterhin stärken wir durch das Maßnahmenpaket das ehrenamtliche Engagement zur gelingenden Integration von Geflüchteten und neuzugewanderten Menschen. Denn ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bieten neben der Unterstützung bei Alltagsdingen und Spracherwerb auch Anlässe für diskriminierungsfreie Kontakte. Wir setzen auf bewährten Strukturen über die kommunale Integrationszentren auf. Integration wird vor Ort gestaltet und niedrigschwellige ehrenamtliche Angebote tragen dazu bei, dass Ankommen zu erleichtern. Dies zu fördern ist ein niedrigschwelliger, aber wirksamer Beitrag zu Prävention.  So stärken wir, dass eingewanderte Menschen Zugänge in die Gesellschaft finden und Teilhabe erleben. 

 

Landesprogramm „Teilhabe, Demokratiebildung und Extremismusprävention für junge Geflüchtete“ (+3,7 Mio €) 

Wir legen ein neues Landesprogramm auf, das sich an Kommunen richtet mit dem Ziel, ihnen die Möglichkeit zu geben spezifische Angebote für junge Geflüchtete zu schaffen, die der Teilhabe, der demokratischen Bildung und der Prävention von islamistischer Radikalisierung dienen. Mit dem Programm sollen Fachkräfte, die mit jungen Geflüchteten arbeiten, geschult werden, insbesondere zur Thematik „Prävention vor und Intervention bei beginnender Radikalisierung. Ferner sollen Netzwerke mit freien Trägern weiterentwickelt und konkrete Angebote für junge Geflüchtete geschaffen werden, die demokratische Bildung und die Auseinandersetzung mit Radikalisierung ermöglichen.

 

Finanzielle Stärkung der Titelgruppe 68 (+1,3 Mio €) 

Die Mittel in Höhe von 1,3 Mio. werden erstmalig zum Haushalt 2025 eingestellt. Die Thematik „islamistische Radikalisierung im Jugendalter /Extremismusprävention“ soll in den geförderten Projekten für junge Geflüchteten der Titelgruppe 68 des Kapitels 07 040 Berücksichtigung finden.

 

Weitere Projekte

Klar ist aber auch: Der Rechtsstaat muss in alle Richtungen funktionieren, beim Schutz und der Integration von Menschen, ebenso bei der Rückführung. So nehmen wir im Bereich Migration weitere Millionen in die Hand, unter anderem für die personelle Stärkung der Zentralen Ausländerbehörden, um die Kommunen bei Abschiebungen noch besser unterstützen zu können. Darüber hinaus haben wir Maßnahmen zur Steigerung der Erfolgsquote bei Dublin-Überstellungen ergriffen und unterziehen die gesamte bestehende Erlasslage zum Komplex Abschiebungen einer umfassenden Überprüfung. Die konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen und der von der Bundesregierung vorgestellten Ideen wird zum Bedarf von mehr Haftplätzen im Ausreisegewahrsam führen. Daher werden wir auch die Schaffung weiterer Haftplätze in einer zweiten Abschiebehaftanstalt in den Blick nehmen müssen.